Wellensittiche sind hochsoziale und intelligente Vögel, die in ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet in Australien in großen Schwärmen von hunderten oder gar tausenden Artgenossen leben, mit denen sie auf der Suche nach Nahrung die weiten Steppenlandschaften überfliegen. Als Heimtiere sollten die liebenswerten kleinen Papageien daher mindestens zu zweit oder in einem kleinen Schwarm gehalten werden, um ihr natürliches Bedürfnis nach Gesellschaft zu erfüllen.
Wichtig für die Harmonie in der Voliere und das Wohlbefinden Deiner Tiere ist die richtige Gruppenzusammensetzung im Hinblick auf die Geschlechter. Denn während sich zwei Männchen (Hähne) in der Regel problemlos verstehen, ist das bei einem Doppelpack Weibchen (Hennen) nicht unbedingt der Fall. Bei größeren Gruppen wiederum ist – sofern es sich um keine reine Männer-WG handelt – auf ein ausgeglichenes Verhältnis von weiblichen und männlichen Tieren zu achten.
In diesem Artikel erklären wir Dir, wie Du das Geschlecht von Wellensittichen bestimmen kannst und welche Gruppenzusammensetzung erfahrungsgemäß die größte Stabilität verspricht.
Geschlechtsdimorphismus bei Wellensittichen: Wachshaut als Unterscheidungsmerkmal
Bei vielen Vögeln gibt es einen eindeutigen Geschlechtsdimorphismus. Dieser etwas sperrige Begriff leitet sich ab vom altgriechischen dímorphos, was so viel wie „zweigestaltig“ bedeutet. Bezogen auf die Vogelwelt ist damit ein (mehr oder weniger) deutlicher Unterschied im äußeren Erscheinungsbild von männlichen und weiblichen Vertretern einer Art gemeint. Nehmen wir als bekanntes Beispiel die Amsel: Männliche Amseln sind tiefschwarz und haben einen orangen Schnabel, während Weibchen eher unscheinbar braun sind. Hier liegt also ein eindeutiger Geschlechtsdimorphismus vor, der auf den ersten Blick erkennbar ist.
Doch wie ist das bei Wellensittichen? Wer in den Genuss kommt, in Australien einen wilden Wellensittichschwarm zu beobachten, der wird feststellen, dass hier eine Farbe vorherrschend ist: Grün! Sowohl Männchen als auch Weibchen der sog. Wildform – also der nicht domestizierten, wild lebenden Sittiche – haben ein grünes Gefieder mit der typischen schwarzen Wellenzeichnung (daher auch der Name „Wellensittich“). Aus der Entfernung können sie somit nicht unterschieden werden. Doch beim näheren Hinsehen wird – zumindest bei ausgewachsenen Vögeln – schnell ersichtlich, dass es ein markantes Merkmal gibt, das Hahn und Henne voneinander unterscheidet, nämlich die Farbe der Wachshaut.
Die Wachshaut, auch Nasenhaut genannt, ist der unbefiederte Bereich direkt oberhalb des Schnabels, in dem sich auch die kleinen Nasenlöcher befinden. Als Faustregel gilt: Bei ausgewachsenen Männchen der Wildform ist die Wachshaut blau, bei Weibchen braun. Die genaue Farbnuance bzw. -intensität kann von Vogel zu Vogel etwas unterschiedlich sein. Außerdem können Farbe und Beschaffenheit der Wachshaut auch in Abhängigkeit von der Brutreife und somit hormonell bedingt variieren. Bei Hähnen wird die blaue Wachshaut mitunter farbintensiver, wenn sie in Brutstimmung sind. Bei Hennen dagegen nimmt sie einen (deutlich) dunkleren Braunton an und kann auch ihre Oberfläche ändern und etwas krustig/verschorft werden. In hormonellen Ruhephasen wird die Wachshaut bei Hähnen dann wieder heller und bei Hennen eher beige oder auch weißlich, sie kann sogar wie bei Jungvögeln ins Hellblaue tendieren. Auch eine vorübergehende (!) farbliche Zweiteilung kann bei Hennen auftreten, in diesem Fall ist z. B. eine Seite der Wachshaut bläulich-weiß und die andere bräunlich. Da die Grundfarbe – Blau oder Braun – jedoch bestehen bleibt, ist das Geschlecht unabhängig von der Brutreife eindeutig zu bestimmen.
Hahn (links) und Henne (rechts) außerhalb der Brutreife: Die Wachshaut des Weibchens ist hellbraun-beige und glatt, die des Männchens blau. Kommen die beiden in Brutstimmung, wird sich die Wachshaut dunkler färben.
Wichtig: Eine Braunfärbung der eigentlich blauen Wachshaut bei Wellensittich-Hähnen ist als Warnsignal zu begreifen. So führt beispielsweise ein Hodentumor aufgrund der damit verbundenen hormonellen Veränderung zu einer entsprechenden Umfärbung. Auch Verkrustungen auf der Nasenhaut sind bei Hähnen nicht normal und deuten auf eine Erkrankung hin. Bei Hennen dagegen ist es ganz typisch, dass die Wachshaut in der Brutreife etwas krustig wird. Es sollte jedoch darauf geachtet werden, dass die Verkrustungen nicht überhandnehmen und im schlimmsten Fall durch Zuwucherung der Nasenlöcher zu Atemproblemen führen (Hypokeratose). Generell gilt, dass bei Auffälligkeiten der Wachshaut ein vogelkundiger Tierarzt konsultiert werden sollte.
Geschlechterbestimmung bei jungen Wellensittichen
Die Geschlechter von adulten Wellensittichen der Wildform lassen sich also leicht unterscheiden. Bei Jungvögeln vor der ersten Jugendmauser und Geschlechtsreife, also etwa vor dem sechsten Lebensmonat, sieht das mitunter anders aus: Je jünger sie sind, desto schwieriger ist es, ihr Geschlecht zu bestimmen. Sowohl Männchen als auch Weibchen haben in jungem Alter eine blassrosa bis hellblaue Wachshaut, die sich erst im Laufe der Lebensmonate geschlechtstypisch umfärbt. Bei Hähnen kann nach einigen Wochen eine Tendenz ins Violette erkennbar sein, bevor die Wachshaut typisch intensivblau wird. Bei Hennen dagegen bleibt sie blassrosa oder auch hellblau, bis sie ihre endgültige braune Farbe annimmt. Die Wachshaut-Farbnuancen bei jungen Wellensittichen können so unterschiedlich, immer wieder wechselnd und damit uneindeutig sein, dass selbst Profis Schwierigkeiten mit der exakten Geschlechtsbestimmung haben. Ein weiterer Hinweis kann eine feine weiße Umrandung der Nasenlöcher sein, die auf eine Henne hindeutet.
Zwei junge Wellensittiche mit hellrosa Wachshaut.
Geschlechtsbestimmung bei anderen Farbschlägen
Wir haben also schon gelernt: Bei erwachsenen Wellensittichen in der grünen Wildform lassen sich die Geschlechter leicht anhand der Wachshaut-Färbung unterscheiden, und auch die Geschlechtsbestimmung bei Jungtieren ist – wenn auch etwas komplizierter – möglich. Doch ein Blick in die Vogelabteilung in einem unserer Kölle Zoo Erlebnismärkte zeigt: Es gibt eine beeindruckende Vielfalt an wunderschönen Farbschlägen – von ganz weißen oder gelben Vögeln über Schecken bis hin zu besonders farbenfrohen Exemplaren. Diese Farbvarianten oder Zuchtlinien sind Folge der großen Beliebtheit der Wellensittiche als Heimtiere. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts nahm die Wellensittich-Zucht in Europa erheblich an Fahrt auf und züchterische Bemühungen brachten zahlreiche unterschiedliche Farbschläge und Linien hervor. Als 1878 in Belgien der erste blaue Wellensittich schlüpfte, war das eine kleine Sensation! Ihm folgten Nachkommen in nahezu allen Farben des Regenbogens – bis auf Rot. Tatsächlich scheint aus genetischen Gründen eine Rotfärbung bei Wellensittichen unmöglich zu sein.
Bei den meisten, vor allem den eher dunklen Farbschlägen funktioniert die Geschlechterbestimmung anhand der Wachshaut genauso wie bei der Wildform nach dem Schema „blau = adultes Männchen“, „braun = adultes Weibchen“.
Auf dem Bild ist die blaue Wachshaut des Hahns gut zu erkennen.
Schwieriger wird die Geschlechterunterscheidung dagegen bei sehr hellen Farbschlägen sowie Lutinos, Albinos und einigen Schecken. Da die züchterischen Eingriffe in die Farbgenetik auch die Wachshaut betreffen, ist bei diesen die Geschlechterbestimmung nach dem Blau-Braun-Schema nicht so ohne weiteres möglich. Bei den komplett gelben (Lutinos) oder weißen (Albinos) Wellensittichen sowie bei Rezessiven Schecken (Harlekins) haben die Männchen sowohl im Jugend- als auch im Erwachsenenalter eine rosa-violette Wachshaut. Die typische Blaufärbung bleibt also aus. Die Weibchen haben allerdings auch bei diesen Farbschlägen eine braune Nasenhaut, weshalb die Geschlechterbestimmung im Erwachsenenalter möglich ist, sofern man über die Unterschiede bei Hähnen Bescheid weiß.
Der Vollständigkeit halber sollte noch erwähnt werden, dass auch die Möglichkeit besteht, beim Tierarzt oder einem Labor mittels DNA-Test das Geschlecht bestimmen zu lassen. Hierzu ist lediglich eine Feder notwendig.
Bei Albinos, Lutinos und generell sehr hellen Farbschlägen kann die Wachshaut bei Hähnen anders gefärbt sein als bei Artgenossen, was die Geschlechterbestimmung erschwert.
Welche Gruppenzusammensetzung?
Die wichtigste Regel zuerst: Wellensittiche sind hochsoziale Tiere, die unbedingt Artgenossen brauchen und daher niemals alleine gehalten werden sollten. Ob Du nun einem Wellensittich-Pärchen ein neues Zuhause schenkst oder lieber einen kleinen Schwarm halten möchtest, hängt von Deinen persönlichen Präferenzen und natürlich auch vom Platzangebot ab. Wichtig ist in jedem Fall, dass sich Deine Vögel gut verstehen, denn Streit und Disharmonie schränken ihre Lebensqualität enorm ein und erhöhen die Krankheitsanfälligkeit. Anders als in freier Wildbahn können sich Wellensittiche in der Heimtierhaltung nicht aus dem Weg gehen, weshalb dafür gesorgt werden sollte, dass sie gut miteinander können, um ihr Wohlbefinden zu sichern. Du selbst wirst für Deine Bemühungen in Sachen „harmonische Gruppenzusammensetzung“ mit munteren und fröhlichen Mitbewohnern belohnt, die liebevoll und innig miteinander umgehen.
Doch worauf solltest Du achten, wenn Du einem Paar oder gleich einem ganzen Schwarm Wellensittichen ein neues Heim bieten möchtest? Die folgenden Tipps beruhen auf Erfahrungswerten und sollen Dir bei der Auswahl der „richtigen“ Vögel – im Sinne einer harmonischen Gruppe – behilflich sein:
Bei der Paarhaltung wird ein gegengeschlechtliches Paar (Hahn und Henne) oder ein gleichgeschlechtliches Paar in Form von zwei Hähnen empfohlen. Von der Haltung zweier Hennen sollte dagegen abgesehen werden, da sie sich oftmals nicht gut verstehen. Ausnahmen bestätigen hier natürlich die Regel und es kann vorkommen, dass sich auch zwei Hähne zu echten Streithähnen entwickeln oder aber zwei Hennen ein Herz und eine Seele sind, insbesondere, wenn sie sich schon von klein auf kennen. Es ist generell sinnvoll, wenn der Altersunterschied bei einem Paar möglichst gering ist, sodass die beiden Tiere bezüglich ihres Temperaments und ihrer Bedürfnisse zusammenpassen.
Bei der Gruppen- oder Schwarmhaltung sollte zunächst auf eine gerade Anzahl an Tieren geachtet werden – also 4, 6, 8 usw. Vögel. Nur so kann sichergestellt werden, dass jeder einen Partner findet und nicht als „fünftes Rad am Wagen“ das Nachsehen hat. Diese Regel ist umso wichtiger, je kleiner die Gruppe ist. Insbesondere von der Haltung einer Dreiergruppe sollte unbedingt abgesehen werden, da hier meistens zwei ein Paar bilden und der Dritte einsam übrigbleibt. Was die Geschlechterzusammensetzung in größeren Gruppen betrifft, scheiden sich die Meinungen. Der sicherste Weg ist es, wenn das Verhältnis von Männchen zu Weibchen in einer Gruppe ausgeglichen ist. Kommen nämlich zu viele Männchen auf ein Weibchen, kann dies zu Rivalitäten unter den Herren oder zu einer Überfütterung der Henne führen. Auch mehrere Weibchen teilen sich ungern einen Hahn.
Am besten ist es immer – sofern die Möglichkeit dazu besteht –, wenn sich die Vögel selbst einen Partner aussuchen können. Dann ist die Wahrscheinlichkeit einer stabilen Beziehung am größten. Suchst Du Deine Vögel also aus einer größeren Gruppe aus, wie es in unseren Kölle Zoo Erlebnismärkten der Fall ist, so beobachte die Tiere eine Weile und achte darauf, welche der kleinen Papageien viel nebeneinandersitzen, sich vielleicht sogar gegenseitig putzen oder kraulen. Oft kann man so die Tiere ausmachen, die sich besonders gut verstehen.
Können Wellensittiche ihr Geschlecht ändern?
An dieser Stelle wollen wir noch kurz dem sich hartnäckig haltenden Gerücht auf den Grund gehen, Wellensittiche könnten ihr Geschlecht ändern. Dieses Phänomen wird als „sequentieller Hermaphroditismus“ bezeichnet und kommt tatsächlich bei einigen Tierarten, insbesondere Fischen (z. B. Fahnenbarsche oder Clownfischen), vor. Bei Wellensittichen ist diese Vermutung sicherlich auf die Umfärbung der Wachshaut im Jugendalter sowie in Abhängigkeit von der Brutreife bei erwachsenen Hennen zurückzuführen. Doch der Eindruck täuscht: Das Geschlecht von Wellensittichen ist mit der Geburt festgelegt und ändert sich im späteren Leben nicht mehr, auch wenn die Wachshautfarbe diesbezüglich für Verwirrung sorgen kann.
Fazit
Das Geschlecht Deiner gefiederten Mitbewohner zu kennen, kann Dir nicht nur die Namenswahl erleichtern, sondern in jedem Fall dabei helfen, für Harmonie in der Voliere zu sorgen, denn nicht alle Kombinationen sind optimal. Henne + Hahn, Hahn + Hahn oder größere Gruppen mit einer geraden Anzahl an Vögeln und einem ausgeglichenen Geschlechterverhältnis sind in der Regel sehr stabil und es bilden sich lebenslange, innige Partnerschaften.
Das Geschlecht ausgewachsener Wellensittiche der grünen Wildform sowie vieler anderer, vor allem dunkler Farbschläge lässt sich zuverlässig an der Farbe der Wachshaut bestimmen. Die dabei gültige Formel „blaue Wachshaut = Hahn“ und „braune Wachshaut = Henne“ verliert jedoch bei Jungtieren sowie Lutinos, Albinos und Harlekins an Gültigkeit und es ist etwas mehr Erfahrung erforderlich, um zuverlässig bestimmen zu können, ob es sich um einen Hahn oder eine Henne handelt. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unseren Kölle Zoo Erlebnismärkten beraten Dich gerne!