Der Mythos, dass unsere domestizierten Stubentiger Einzelgänger sind und nur in Ausnahmefällen mit anderen Katzen zurechtkommen, hält sich hartnäckig. Leider. Denn diese Fehlannahme führt immer noch dazu, dass viel zu viele Fellnasen einzeln gehalten werden – in der Annahme, man würde ihnen damit einen Gefallen tun. Doch meist ist das Gegenteil der Fall: Der Großteil der Stubentiger fühlt sich nur in kätzischer Gesellschaft so richtig wohl, geborgen und sicher. Da unsere Katzen jedoch kleine Individualisten sind, kann es auch Ausnahmen geben. Insbesondere Stubentiger, die bereits sehr lange allein durchs Leben gehen, möchten ihr Zuhause oftmals nicht mehr mit einem Artgenossen teilen. In unserem Artikel erfährst Du, in welchen Fällen es für Deine Fellnase besser ist, ein Einzelgänger zu bleiben, und wann Dein vierbeiniger Gefährte sich in Gesellschaft deutlich besser fühlt.
Sind Katzen Einzelgänger oder Rudeltiere?
Um die Frage zu beantworten, ob Katzen Einzelgänger oder Rudeltiere sind, muss zunächst geklärt werden, was darunter genau zu verstehen ist. Als Einzelgänger im eigentlichen Sinne werden Tiere bezeichnet, die lediglich zur Paarung – also zum Zweck der Arterhaltung – Kontakt zu Artgenossen aufnehmen, ansonsten aber lieber ihre Ruhe haben und allein unterwegs sind. Dies ist zum Beispiel bei Goldhamstern, aber auch bei Pandas, Schneeleoparden und Eisbären der Fall. Auf unsere domestizierten Hauskatzen trifft das jedoch nicht zu. Vielmehr sind sie Tiere mit ausgeprägtem Sozialverhalten, die ein Leben mit Artgenossen dem Alleinsein vorziehen. Dies sieht man nicht zuletzt an Straßenkatzen, die quasi die freie Wahl haben. Auch sie leben nicht isoliert, sondern schließen sich zu Kolonien zusammen. Die Gruppe gibt ihnen Schutz und Geborgenheit und es findet sich immer jemand zum Kuscheln, Spielen oder gegenseitigen Putzen. Lediglich auf die Jagd gehen Katzen in freier Wildbahn alleine – sie sind also keine Einzelgänger, aber Einzeljäger. Hat eine Katze jedoch von klein auf keinen Kontakt zu Artgenossen, fehlen ihr wichtige Sozialisationserfahrungen, was im späteren Leben dazu führen kann, dass sie nicht mehr mit anderen Katzen vergesellschaftet werden kann.
Tiergerechte Katzenhaltung – braucht meine Katze Artgenossen?
Grundsätzlich ist die Frage, ob (D)eine Katze Artgenossen braucht, mit „Ja“ zu beantworten. Wie beschrieben, sind unsere Stubentiger sehr soziale Tiere, die bei fehlendem Kontakt zu ihresgleichen unter großer Einsamkeit bis hin zu Depressionen leiden können. Dies gilt insbesondere für Kitten, die für ihre Sozialisation dringend den Kontakt zu Artgenossen benötigen, sowie für reine Wohnungskatzen, die anders als Freigänger nicht die Möglichkeit haben, sich nach Belieben einen Fellfreund außerhalb der eigenen vier Wände zu suchen.
Ausnahmen bestätigen jedoch die Regel, sodass es durchaus auch Fellnasen gibt, die keinesfalls mit anderen Katzen zusammenleben möchten.
Als Mensch kannst Du Deinem Liebling den Artgenossen nicht ersetzen. Wenn keine handfesten Gründe dagegensprechen, sollten Katzen daher nicht alleine gehalten werden.
Kitten möglichst nur im Doppelpack
Kleine Kätzchen, die von ihrer Mutter und ihren Wurfgeschwistern getrennt werden, verstehen oftmals die Welt nicht mehr, wenn sie in ihrem neuen Zuhause ankommen. Plötzlich sind sie ganz auf sich gestellt und haben niemanden mehr, mit dem sie kuscheln, spielen und raufen können. Dabei ist die Sozialisation zum Zeitpunkt ihrer Abgabe mit einigen Wochen oder Monaten noch keineswegs abgeschlossen – sie brauchen weiterhin Kontakt zu Artgenossen, um gesund und zufrieden heranzuwachsen und zu lernen, wie man als Katze kommuniziert und sich verhält. Anderenfalls können Verhaltensstörungen und Einsamkeit die Folge sein. Daher geben verantwortungsvolle Züchter und Tierheime ihre kleinen Schützlinge in der Regel nur im Doppelpack ab bzw. ein einzelnes Kätzchen nur dann, wenn im neuen Zuhause bereits eine andere Katze auf sie wartet.
Kitten brauchen einander!
Lernen sich zwei kleine Kätzchen bereits im Kittenalter kennen, verstehen sie sich in der Regel ein Leben lang problemlos, unabhängig davon, ob sie aus einem Wurf stammen, also Geschwisterchen sind, oder nicht. Daher ist die Variante „Kitten nur im Doppelpack“ für alle Beteiligten die beste Option. So haben sich Deine Schützlinge gegenseitig – es ist immer jemand zum Spielen und Kuscheln da, auch wenn Du mal außer Haus bist. Selbstverständlich brauchen beide Kätzchen dennoch ausreichend Beschäftigungsmöglichkeiten und Platz, um sich zurückzuziehen.
(Wohnungs-)Katzen & Einsamkeit
Ausschließlich in der Wohnung gehaltene Katzen können sich, anders als Freigänger, nicht aussuchen, ob und wie viel Kontakt sie zu Artgenossen haben möchten. Insbesondere, wenn Du oft außer Haus bist und Deine Fellnase daher längere Zeit alleine ist, ohne jemanden zum Spielen und Kuscheln zu haben, kann es mehr als sinnvoll sein, ihr einen passenden Partner zur Seite zu stellen, um zu verhindern, dass sie unter Einsamkeit leidet. Doch selbst wenn Du Dich viel um Deinen Stubentiger kümmern kannst, ist es nun mal so, dass Du eben keine Katze bist und eine solche für Deinen Liebling auch nicht ersetzen kannst. Daher gilt grundsätzlich auch für Wohnungskatzen, die bereits älter sind, dass sie möglichst nicht alleine gehalten werden sollten.
Eine gelungene Sozialisation vorausgesetzt, genießen Katzen die Anwesenheit eines vertrauten Artgenossen sehr.
Hier muss allerdings ein „Aber“ angebracht werden, denn der Charakter und die gemachten Erfahrungen der individuellen Fellnase sollten bei der Entscheidung für oder gegen eine Zweitkatze immer berücksichtigt werden. Zwar kann durch die richtige Art der Zusammenführung (siehe hierzu unseren Artikel
„Katzen zusammenführen“) die Wahrscheinlichkeit, dass die alteingesessene Katze und der Neuzugang zu einem Dreamteam werden, deutlich erhöht werden, doch es sollte nicht verschwiegen werden, dass das Projekt Zweitkatze auch scheitern kann. Dies ist insbesondere bei Vierbeinern mit mangelnder Sozialisation der Fall, von denen es insbesondere in Tierheimen nicht wenige gibt. Einige Tierheime haben sogar spezielle Programme für solche Fellnasen – sie werden dann zum Beispiel nur als Einzelkatze vermittelt.
Besonders wichtig ist es allemal, sich bei der Auswahl der Zweitkatze ausreichend Zeit zu lassen und darauf zu achten, dass die Katzen charakterlich und auch vom Alter her gut zusammenpassen. Schließlich möchten wir selbst auch nicht mit jedem x-beliebigen Menschen unser Zuhause teilen. Ist Deine Fellnase beispielsweise schon etwas älter, wird sie von einem tobenden und spielenden Kitten höchstwahrscheinlich eher genervt sein. Umgekehrt fehlt einem jungen Kätzchen, das mit einer betagten Samtpfote zusammenlebt, der Spielpartner. Die Mitarbeitenden in Tierheimen sowie Züchter kennen ihre Tiere in der Regel sehr gut und können Dir dabei helfen, den richtigen Partner für Deinen Liebling zu finden.
Mangelnde Sozialisation
Katzen, die (zu) früh von ihrer Mutter und ihren Geschwistern getrennt wurden, haben nicht selten Defizite in ihrem Sozialverhalten. Sie können dann beispielsweise die Körpersprache ihrer Artgenossen nicht richtig einschätzen bzw. deuten, wodurch es zu Kommunikationsproblemen und Missverständnissen kommen kann. Diese Defizite verstärken sich, je länger die Katze alleine durchs Leben geht bzw. gehen muss, und können eine Vergesellschaftung zur echten Herausforderung werden lassen.
Und tatsächlich gibt es durchaus auch Fellnasen, die gar nicht mehr mit anderen Katzen zurechtkommen und lieber alleine bleiben. Dies ist insbesondere bei Stubentigern der Fall, die das Alleinsein seit vielen Jahren gewohnt sind und in gewisser Weise verlernt haben (oder niemals gelernt haben), mit anderen Katzen zusammen zu sein. Auch diesen Wunsch nach Alleinsein gilt es natürlich, zu berücksichtigen.
Manche Stubentiger bleiben lieber allein, wenn sie es seit langer Zeit nicht anders gewöhnt sind.
Bedenke dabei jedoch, dass Streit und Unstimmigkeiten zu Beginn einer Zusammenführung von einander unbekannten Katzen absolut normal sind. Deine bisher allein lebende Katze wird den Neuzugang als unangenehmen Eindringling wahrnehmen, und dieser weiß vermutlich überhaupt nicht, wie er sich in der neuen Umgebung, in der alles nach der ihm garstig gegenübertretenden „Erst-Fellnase“ riecht, verhalten soll. Zwar gibt es „Liebe auf den ersten Blick“ auch bei Katzen, andere jedoch brauchen durchaus einige Wochen oder gar Monate, um sich aneinander zu gewöhnen.
Herauszufinden, was die eigene Fellnase möchte, ist gar nicht so einfach. Tierheime sind in der Regel eine gute Anlaufstelle für Menschen, die sich mit dem Gedanken tragen, der eigenen Solo-Katze einen Fellfreund zur Seite zu stellen. Die Mitarbeitenden kennen ihre Schützlinge sehr gut und können Dir auch bei der Vergesellschaftung beratend zur Seite stehen.
Ausnahme: Freigänger
Bei Katzen, die nach Belieben in der Nachbarschaft herumsteifen können, also dauerhaft Freigang haben, ist eine Einzelhaltung in der Regel weniger problematisch. Bei ihren Streifzügen treffen die Fellnasen andere Katzen, wodurch für soziale Kontakte gesorgt ist. Haben sie dann keine Lust mehr auf ihre Artgenossen, können sie sich jederzeit in die heimischen vier Wände zurückziehen und sich ordentlich verwöhnen lassen.
Freigänger können sich nach Belieben mit Artgenossen zusammentun, die ihnen sympathisch sind.
Allerdings ist Freigang natürlich immer auch mit teils erheblichen Gefahren verbunden – angefangen bei Verkehrsunfällen über Revierkämpfe bis hin zu gefährlichen Infektionskrankheiten. Darüber hinaus wird von vielen Naturschützern kritisiert, dass die Vielzahl an frei herumlaufenden Katzen die heimische Fauna gefährdet – Katzen jagen nun einmal, und jedes Jahr fallen den Tieren viele Millionen Singvögel zum Opfer.
Ob die Katze Freigang bekommt oder nicht, sollte bereits bei der Anschaffung feststehen. Denn Katzen, die es gewohnt sind, in der Natur umherzustreifen, fühlen sich meist sehr unwohl, wenn sie plötzlich als Wohnungskatzen ihr Dasein fristen sollen. Wichtig ist es außerdem, dass Freigänger einen kompletten Impfschutz besitzen und kastriert sind. Hast Du Dich also dafür entschieden, Deiner Katze Abenteuer außer Haus zu ermöglichen und kannst dies auch dauerhaft gewährleisten, ist eine Einzelhaltung möglich.
Wie merkt man, ob eine Katze einsam ist?
Wie geschrieben sind Katzen äußerst soziale Tiere, die in der Regel engen Kontakt zu Artgenossen brauchen, um sich wohlzufühlen und nicht zu vereinsamen. Insbesondere Katzen, die ein Leben lang mit Artgenossen zusammengelebt haben, werden als Einzelkatze nicht glücklich werden. Doch wie merkst Du nun, ob Deine bisher solo durchs Leben gegangene Katze einen flauschigen Weggefährten schmerzlich vermisst oder nicht? Leider können unsere Fellnasen uns nicht mitteilen, was sie sich wünschen oder wonach sie sich sehnen. Hier sind also Einfühlungsvermögen und genaues Beobachten gefragt. Du kennst Deine Katze am besten, weißt womöglich über ihre Vergangenheit Bescheid und kannst so vielleicht einschätzen, was sie sich wünscht und was nicht. Auch im Tierheim findest Du sicherlich einen kompetenten Ansprechpartner, um die Frage „Zweitkatze oder nicht?“ zu beantworten.
Einsamkeit äußerst sich oftmals durch geringe Aktivität und Lethargie oder auch Aggressivität und Hyperaktivität.
Es gibt jedoch einige Verhaltensweisen, die – sofern gesundheitliche Gründe dafür ausgeschlossen sind – auf Unwohlsein und Einsamkeit hinweisen können.
Manche Katzen leiden oftmals nur still vor sich hin. Womöglich missinterpretiert der menschliche Wegbegleiter dieses Verhalten sogar als Wohlbefinden oder Entspanntheit. Andere Katzen dagegen zeigen mehr oder minder deutliche Warnsignale, die darauf hinweisen, dass es ihnen nicht gut geht und sie sich nicht wohlfühlen. Solche nonverbalen Signale sollten uns als verantwortungsvolle Katzenhalter stets dazu bringen, nach den Ursachen zu forschen. Der erste Weg sollte dabei immer zum Tierarzt führen, um körperliche Gründe auszuschließen. Ist die Katze gesund, sollte Einsamkeit immer als Auslöser in Betracht gezogen und ernst genommen werden.
Typische Anzeichen können zum Beispiel sein:
- Unsauberkeit: Wird Deine Katze unsauber, macht also beispielsweise nicht mehr in, sondern neben die Katzentoilette, kann das ein Zeichen für starkes Unwohlsein darstellen.
- Lethargie: Deine Katze schläft sehr viel, starrt vor sich hin, wirkt manchmal vielleicht sogar teilnahmslos und lethargisch? Womöglich frisst sie auch sehr viel oder zu wenig und nimmt daher stark zu bzw. ab? Auch das kann ein Hinweis dafür sein, dass es ihr nicht gut geht. Einsamkeit führt häufig zu mangelnder Aktivität bzw. zu depressiver Verstimmung. Deine Fellnase hat schlicht keine Lust und Motivation, alleine auf Entdeckungstour zu gehen – dann sehnt sich vielleicht nach einem Partner, mit dem sie ihr Leben teilen kann.
- Hyperaktivität/Aggression: Auch gegenteilige, nämlich als „aggressiv“ oder „hyperaktiv“ wahrgenommene Verhaltensweisen können ein Zeichen für Einsamkeit sein. Womöglich schnappt Deine Fellnase nach Deinen Händen, kommt einfach nicht zur Ruhe oder zerstört Tapeten und Gegenstände in einem solchen Ausmaß, dass es nicht mehr als „normal“ angesehen werden kann. Auch Ängstlichkeit kann ein Anzeichen sein.
Fazit
Hauskatzen sind zwar Einzeljäger, aber keine Einzelgänger. Sie sind äußerst soziale Wesen, die in der Regel Kontakt zu Artgenossen brauchen, um ein glückliches und zufriedenes Leben zu führen. Der Partner vermittelt Sicherheit, kann angestupst werden, wenn man geputzt werden möchte, und stellt sich als ausdauernder Spielkamerad und Kuschelpartner zur Verfügung. Wenn irgend möglich sollten Katzen daher nicht alleine gehalten werden. Insbesondere Kitten, reine Wohnungskatzen und Fellnasen, die ein Leben lang mit Artgenossen zusammengelebt haben, werden alleine kaum glücklich werden können. Doch es gibt auch Ausnahmen: Katzen, die sehr früh von ihrer Mutter und ihren Wurfgeschwistern getrennt wurden und bereits lange alleine leben, haben oft Defizite in ihrem Sozialverhalten und kommen mit Artgenossen dann womöglich nicht mehr zurecht. Auch hier sollte das Wohlbefinden der Fellnase im Fokus stehen, was bedeuten kann, ihr als Einzelkatze ein schönes Leben mit vielen Kuscheleinheiten und Beschäftigungsmöglichkeiten zu bieten.