Freigang bedeutet für Katzen in erster Linie Freiheit: Sie können nach Lust und Laune in der Gegend herumstreifen, Neues entdecken, auf Bäume klettern und ihren jagdlichen Ambitionen nachgehen, sich auf einer Wiese die Sonne auf den Bauch scheinen lassen oder einen kleinen Streit mit der Nachbarskatze anzetteln. Sie können ebendas tun, was Katzen so tun, wenn man sie lässt, und haben somit die Möglichkeit, ihre angeborenen Instinkte und Verhaltensweisen auszuleben, was positive Auswirkungen auf ihr Wohlbefinden und ihre Lebensqualität hat. Sie können beim Freigang aber auch erheblichen Gefahren ausgesetzt sein, denn ihre Abenteuerlust und ihre Neugier können schnell (lebens-)gefährlich werden, wenn sich beispielsweise Straßen in der Nähe befinden, offene Fenster, Türen oder hohe Bäume locken oder besagte Nachbarskatze viel stärker ist oder unter einer ansteckenden Krankheit leidet.
Es gibt somit viele Gründe, die für Freigang sprechen, aber auch zahlreiche Argumente, die dagegen ins Feld geführt werden können und müssen. In unserem Artikel haben wir einige Vor- und Nachteile des Freigangs für Katzen für Dich zusammengefasst. Darüber hinaus findest Du Tipps, worauf Du ein besonderes Augenmerk richten solltest, wenn Deine Fellnase die Erlaubnis erhält, auf Streifzug zu gehen.
Kleiner Spoiler: Als Ergebnis wird sich (leider) herausstellen, dass sich keine eindeutige Empfehlung für oder wider den Freigang von Katzen aussprechen lässt. Stattdessen handelt es sich um eine individuelle Entscheidung, die von vielen Faktoren abhängt und sorgsam abgewogen werden sollte.
Pro & Contra
Pro
Wie geschrieben, ist Freigang für Katzen gleichbedeutend mit nahezu unbegrenzter Freiheit! Darf Deine Fellnase nach Belieben draußen herumstreifen, so kommt dies ihrem Naturell und ihren natürlichen Bedürfnissen entgegen: Sie kann die Gegend erkunden, lauern, jagen, rennen und klettern, aber auch entsprechend ihren Bedürfnissen Kontakt mit Artgenossen suchen – oder eben meiden. Dieses Ausleben angeborener Instinkte und Verhaltensweisen und die damit verbundenen Eindrücke, Reize und Erlebnisse können positive Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die Lebensqualität unserer Samtpfoten haben.
Klettern, schnüffelnd die Gegend erkunden, andere Katzen treffen, jagen und lauern ... Katzen mit Freigang genießen ein hohes Maß an Freiheit und Unabhängigkeit.
Die viele Bewegung an der frischen Luft kann außerdem förderlich für die Gesundheit sein und z. B.
Übergewicht mit all seinen negativen Folgen verhindern, die Verdauung fördern und Stress abbauen. So gelten Freigänger-Katzen oftmals als robuster und ausgeglichener als ihre Artgenossen ohne Ausgang. Langeweile ist für Freigänger nämlich ebenfalls ein Fremdwort, denn schließlich gibt es im erweiterten Revier immer etwas zu tun und zu entdecken – das hält geistig jung und fit! Möchten sie jedoch eine kleine Auszeit von ihren täglichen Abenteuern nehmen, finden sie zu Hause Ruhe, Schutz und Zuneigung – und natürlich leckeres Futter! In diesem Sinne verbinden sich aus Katzensicht im Freigang die Vorteile des Draußenseins mit den Vorteilen des Umsorgt-Werdens durch den Menschen.
Und auch für Dich ergeben sich durch den Freigang Deiner Katze durchaus Vorteile, denn Du kannst darauf vertrauen, dass sie sich nicht langweilt, nicht vereinsamt, sich genug bewegt und ausreichend Beschäftigung hat. Damit kann eine Entlastung einhergehen, denn all diese Bedürfnisse ausschließlich in der Wohnung umzusetzen und zu erfüllen, kann mit sehr viel Aufwand, Zeit und auch Kosten verbunden sein. Nichtsdestotrotz sollte Deine Freigänger-Katze natürlich auch in den eigenen vier Wänden Möglichkeiten zum Rückzug, zum Klettern und Krallenwetzen und zur Beschäftigung vorfinden.
Zusammenfassend könnte man vielleicht sagen, dass Katzen mit Freigang einfach eine ganze Menge erleben und ein spannendes und erfülltes Leben mit viel Bewegung und Beschäftigung führen. Doch das ist nur die eine Seite der Medaille, denn …
Contra
… das so lebenswert anmutende Umherstreifen in der friedlichen Natur kann sich sehr schnell zu einem Schreckensszenario wandeln, wenn man die zahlreichen Risiken bedenkt, die sich dabei für die Katze ergeben können: Die Fellnase könnte angefahren oder gar überfahren werden, sich bei einer Auseinandersetzung mit Artgenossen oder anderen Tieren ernsthafte Verletzungen zuziehen oder sich mit Infektionskrankheiten anstecken, auf einen Baum klettern und nicht mehr hinunterkommen, in einem Keller eingesperrt werden, sich verlaufen, vermeintlich „herrenlos“ ins Tierheim gebracht oder sogar aus Profitgier geklaut werden, wie es leider bei teuren Rassekatzen vorkommt. Diese Aufzählung ließe sich noch weiterführen, denn es lässt sich nicht bestreiten, dass Fellnasen mit unbeaufsichtigtem Freigang vor allem in urbanen Gebieten erheblichen Gefahren ausgesetzt sind, wobei Verkehrsunfälle mit Abstand das Hauptrisiko darstellen. Des Weiteren werden sie deutlich häufiger von Parasiten wie
Zecken, Flöhen oder Würmern geplagt als Wohnungskatzen in einer entsprechend hygienischen Umgebung. Daraus können nicht nur höhere Tierarztkosten resultieren, sondern auch ernsthafte Folgeerkrankungen. Außerdem sind nicht alle Menschen Katzen wohlgesonnen, sodass auch immer das Risiko besteht, dass sie mit rabiaten Mitteln von Grundstücken ferngehalten und vertrieben werden oder gar Giftködern ausgesetzt sind.
So gemütlich es für die Fellnase sein mag, sich die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen und draußen herumzustreifen - Freigang ist auch immer mit großen Gefahren verbunden.
Doch nicht nur für die Katze selbst, sondern auch für andere Tiere kann deren Freigang ein Risiko darstellen. Dies liegt insbesondere an der großen Anzahl gut ernährter Hauskatzen, die auf Beute treffen, die nicht nur ohnehin unterlegen ist, sondern womöglich auch in einem sehr viel schlechteren Ernährungs- und damit Kraftzustand. So fallen unbestätigten Schätzungen zufolge in Deutschland jährlich etwa 200 Millionen Singvögel und daneben eine Vielzahl an Kleinsäugern, Amphibien und anderen Tieren unseren Freigänger-Katzen zum Opfer. Dies ist den betreffenden Fellnasen natürlich nicht zum Vorwurf zu machen, schließlich gehen sie nur ihren natürlichen Instinkten nach, kann jedoch Auswirkungen auf heimische Tierbestände haben, insbesondere in Siedlungsgebieten mit vielen Freigänger-Katzen auf recht engem Raum.
Ein weiteres und ganz erhebliches Problem stellen insbesondere unkastrierte Kater mit Freigang dar. Während eine weibliche Hauskatze mit festem Wohnsitz hoffentlich nach dem ersten ungeplanten Wurf kastriert würde (auch das gilt es natürlich zu vermeiden!), vermehrt sich ein Kater meist unbemerkt von seinen Besitzern – und zwar je nach Rasse ab dem 6. Lebensmonat bis ins hohe Alter! Dies trägt mit dazu bei, dass die Populationen an „Straßenkatzen“ bzw. verwilderten Hauskatzen kaum kleiner werden. Die Tierschutzorganisation „Vier Pfoten“ geht von mehr als 2 Mio. solcher Katzen aus, die teilweise unter widrigsten Bedingungen zu überleben versuchen und u. a. deutlich anfälliger für Krankheiten sind, so auch für Infektionskrankheiten wie Katzenseuche oder Katzenschnupfen, die sich aufgrund des fehlenden Impfschutzes ungehindert ausbreiten können. Dies ist angesichts der zumeist nicht stattfindenden medizinischen Versorgung nicht nur ein wahres Elend für die verwilderten Fellnasen, sondern gefährdet natürlich auch Katzen mit festem Wohnsitz. Dies ist nicht der einzige, aber der wichtigste Grund, warum Hauskatzen mit Freigang ausnahmslos kastriert sein sollten. Eine Kastration ist nicht nur bei Tierheim-Katzen zu Recht eine Voraussetzung für die Adoption, sondern in einigen Gemeinden für Freigänger sogar gesetzliche Pflicht. Zwar gibt es noch keine bundesweite Kastrationspflicht, allerdings sind Länder und Kommunen gemäß § 13b Tierschutzgesetz unter bestimmten Bedingungen zur Einführung einer solchen Pflicht befugt. Aktuell gilt die Kastrationspflicht für Freigänger-Katzen bereits in über 700 Städten und Gemeinden (Stand 2019), darunter Bremen und Köln. Darüber hinaus solltest Du Dir bewusst sein, dass Du für Deine Katze schadenersatzpflichtig bist.
Zusammenfassend kommen Katzen mit Freigang zwar in den Genuss, ihre natürlichen Instinkte und Bedürfnisse auszuleben, sind jedoch auch mit deutlich größeren Gefahren und Risiken konfrontiert als ihre Artgenossen in Wohnungshaltung, was mit einer kürzeren Lebenserwartung verbunden sein kann.
Was folgt daraus?
Wir haben es schon angedeutet: Eine „richtige“ Antwort auf die Frage, ob Katzen Freigang haben sollten oder nicht, gibt es leider nicht. Stattdessen sind jeweils im Einzelfall die Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen, um eine Entscheidung zu treffen. In jedem Fall ist es ratsam, die gesetzlichen Bestimmungen der eigenen Gemeinde in Erfahrung zu bringen (besteht z. B. eine Kastrationspflicht oder gibt es andere Vorgaben?), Rücksprache mit den Nachbarn zu halten (es wird sich nicht vermeiden lassen, dass Deine Fellnase auch ihr Grundstück betritt), eine genaue Risikoabwägung zu treffen (sind z. B. stark befahrene Straßen in der Nähe?) und dabei auch das Temperament und die Bedürfnisse der betreffenden Fellnase zu berücksichtigen.
Vermeiden solltest Du jedoch ein „Ausprobieren“ des Freigangs, denn hat sich die Katze einmal daran gewöhnt, ist es schwer bis unmöglich, sie wieder zu ent-wöhnen. Die Entscheidung für Freigang sollte also bewusst getroffen und dann auch auf Dauer angelegt sein.
Tipp: Möchtest Du Deiner Fellnase etwas Freiheit und frische Luft bieten, lebst aber in einer Gegend, in der das nicht möglich ist? Auch ein Balkon kann Deiner Katze vielseitige akustische, visuelle und olfaktorische Reize, Sonnenlicht und frische Luft sowie erweiterte Bewegungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten bieten! Achte hier jedoch unbedingt darauf, dass keine Möglichkeit für Deine Fellnase besteht, den Balkon zu verlassen und sich dabei zu verletzen, etwa indem Du ihn mit speziellen Schutznetzen entsprechend sicherst! Außerdem sollte Deine Samtpfote beim gesicherten Balkon-Freigang stets die Möglichkeit haben, wieder in die Wohnung oder ins Haus zu gelangen, und ausreichend Schattenplätze zur Verfügung haben.
Worauf ist beim Freigang von Katzen zu achten?
Hast du die Pro- und Contra-Argumente gegeneinander abgewogen und Dich für Freigang entschieden, gilt es, auf einige wichtige Aspekte zu achten, um die Sicherheit für Deine Fellnase (und andere Tiere) zu erhöhen:
Kastration: Freigänger-Katzen sollten ausnahmslos
kastriert werden, um zu vermeiden, dass sie sich fortpflanzen. Dies ist auch mit sicherheitsrelevanten Vorteilen verbunden, denn kastrierte Fellnasen neigen weniger zu Raufereien mit Nachbarskatzen und bleiben meist näher am Haus.
Impfungen: Bei einer Freigänger-Katze ist es besonders wichtig, auf einen stets aktuellen
Impfschutz zu achten, denn sie wird unweigerlich Kontakt mit Artgenossen und anderen Tieren haben und ist somit einem erhöhten Risiko ausgesetzt, sich mit Infektionskrankheiten wie Katzenseuche, Katzenschnupfen, ggf. Tollwut, FIP und Leukose anzustecken. Eine Katze, die unter einer ansteckenden Krankheit wie
FIP leidet, sollte zum Schutz anderer Fellnasen keinen Freigang erhalten.
Parasitenabwehr: Freigänger-Katzen können mittels geeigneter Spot-on-Präparate oder Halsbänder gegen Parasiten wie Zecken oder Flöhe geschützt werden. Trotzdem solltest Du sie zu Hause regelmäßig auf Parasiten kontrollieren (etwa im Rahmen der Fellpflege), sodass Du schnell handeln kannst, sollte sie sich etwas eingefangen haben. Vergiss auch nicht, regelmäßig eine Kotuntersuchung bei Deinem Tierarzt zu veranlassen, um Deine Fellnase im Bedarfsfall zu entwurmen.
Gesundheitscheck: Bei Katzen mit Freigang kommt einem regelmäßigen Gesundheitscheck eine größere Bedeutung zu, da sie höheren Verletzungs- und Infektionsrisiken ausgesetzt sind. Überprüfe Deine Fellnase daher regelmäßig auf Parasiten und Verletzungen. Bei Auffälligkeiten im äußeren Erscheinungsbild oder im Verhalten solltest Du zeitnah tierärztliche Beratung hinzuziehen.
Fellpflege: Es kann sein, dass Freigänger-Katzen, insbesondere solche mit langem Fell, eine intensivere Fellpflege – sprich: häufigeres Bürsten – brauchen, da sich allerlei Geäst, Schmutz, Kletten usw. in ihrem Fell verfangen kann.
Mikrochip: Alle Katzen, insbesondere jedoch Freigänger, sollten über einen Mikrochip verfügen. Registriere die Nummer des Chips und Deine Adresse unbedingt bei Tasso e. V., um sicherzustellen, dass Deine Katze Dir zuzuordnen ist, sollte sie irgendwo aufgegriffen werden. Der Mikrochip lässt sich von Tierärzten implantieren und auch von diesen (sowie Tierheim-Mitarbeitern etc.) ablesen.
„Wartezeit“: Nach dem Einzug einer Fellnase oder nach einem
Umzug mit Fellnase solltest Du ausreichend Zeit vergehen lassen (mind. 4 Wochen), bevor Du Deine Katze nach draußen lässt, da sonst die Gefahr besteht, dass sie versucht, in ihr altes Zuhause zurückzukehren. Sie muss sich also erst eingewöhnen und lernen, wo ihre neue Anlaufstelle ist.
Katzenklappe: Eine Katzenklappe ermöglicht es Deiner Fellnase, das Haus zu betreten oder zu verlassen, ohne dass sie darauf angewiesen ist, dass Du ihr die Tür öffnest. Modernere Katzenklappen bieten Dir zudem zahlreiche Einstellmöglichkeiten, um den Freigang zeitlich zu terminieren oder sicherzustellen, dass keine anderen Katzen oder Tiere hineingelangen.
Hier haben wir für Dich zusammengefasst, wie Du Deine Samtpfote an eine Katzenklappe gewöhnen kannst.
Eine Katzenklappe erleichtert den Freigang, indem Deine Fellnase ohne Deine Hilfe nach draußen, aber auch wieder hinein kann.
Fazit
Katzen sind Gewohnheitstiere und lieben somit gleichbleibende Routinen. Fellnasen, die entsprechend ihren Bedürfnissen ver- und umsorgt werden, genug Bewegung, soziale Kontakte und Beschäftigung haben, können durchaus auch als reine Wohnungskatzen ein glückliches und erfülltes Leben führen. Der leicht wehmütig anmutende Blick vieler Stubentiger aus dem Fenster mag jedoch bei dem ein oder anderen die Frage aufkommen lassen, ob sie sich nicht danach sehnt, draußen herumzustreifen. Freigang bietet Katzen natürlich zahlreiche Möglichkeiten, ihren natürlichen Bedürfnissen und Instinkten zu folgen und sich auf Katzenart zu beschäftigen, was ihrem Wohlbefinden und ihrer Lebensqualität zugutekommen kann. Zugleich sind sie jedoch vielen Gefahren ausgesetzt, die in Abhängigkeit des Wohnortes und des Temperaments der Katze variieren können. In jedem Fall sollten Katzen mit Freigang kastriert sein und über einen aktuellen Impfschutz verfügen, um ihre Sicherheit zu erhöhen.